Nachdem ich bereits im ambulanten Pflegebereich während zweier Praktika (Berichte v. 07.05.19 und 10.03.20 auf meiner Homepage) erfahren durfte, was hier von den Mitarbeitenden tagtäglich geleistet wird, hab ich am 26. Oktober nun auch ein Praktikum im stationären Bereich absolviert. Die Einrichtungsleiterin der Seniorenpflegeeinrichtung St. Martin, Beate Baar, hatte dankenswerter Weise eine Frühschichtbegleitung im Haus für mich organisiert. Janine Klopp, langjährige Pflegefachkraft und mit Freude seit 2006 in dieser diakonischen Einrichtung, war also von 6.00 – 14.15 Uhr an diesem Tag meine Chefin. 4255 Schritte bin ich in dieser Zeit (mit)gelaufen – im Vergleich zu all den Tätigkeiten, die sie währenddessen ausgeübt hat, ein Klacks. Die junge Frau ist nicht nur flink und versiert bei der Erbringung ihrer Pflegeleistung, sie bringt zur eigenen Fachlichkeit auch viel Herzenswärme und Umsicht mit. Für 28 Bewohner*innen ist sie als Pflegefachkraft für sämtliche Abläufe und die gesamte Organisation ihrer Schicht verantwortlich. Gerade das schätzt sie sehr „Wir sind hier richtig familiär“, sagt sie, „wir ergänzen uns gut und halten zusammen“. Sie ist durch ihre Mutter in Kontakt mit dem Beruf gekommen und war dann im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres bei der Diakonie tätig. In St. Martin war sie der erste hauseigene Lehrling, worauf sie voller Stolz zurückblickt. Sie findet es gut, wenn sich die Politik in die Praxis begibt, und ich sehe tatsächlich so hautnah, was sie an täglichen Herausforderungen bewegt. Auch den Bewohner*innen höre ich zu. Die meisten sind neugierig, fragen nach und haben auch einige Anregungen. Ich erlebe auch Bewohner*innen mit schwerer Demenzerkrankung. Die Erfahrung und Zuwendung des Personals im Haus ist beeindruckend, gerade im Umgang mit Menschen, die an ihrem Lebensabend mehr Zeit benötigen. In St. Martin dürfen aktuell 49 Bewohner*innen Pflege und Betreuung von ca. 35 Mitarbeiter*innen erfahren.
Beim anschließenden Gespräch mit der Geschäftsbereichsleitung Wohnen und Pflege im Diakoniewerk Doreen Boniakowsky, der Einrichtungsleiterin Beate Baar, und der Pflegedienstleitung von St. Martin, Christina Hartwig, erfahre ich von weiteren Herausforderungen. Vieles ist mir bekannt durch die wiederholten Treffen mit Ministerin Stefanie Drese zum Thema Pflege. Allerdings brennt es bei einigen Themen doch sehr. Insbesondere der Fachkräftemangel verlangt spezifische Unterstützung. Doreen Boniakowsky berichtet von ihren eigenen, intensiven Bemühungen darum. Die Akquise im Ausland allein reicht demnach nicht aus, weil vor dem letztlichen Einsatz vor Ort unzählige Bedingungen seitens verschiedener Behörden stehen. Auch geeigneten Wohnraum zu finden, für die die Diakonie als Mieter auftreten würde, scheint schwerer als gedacht. Sie wünscht sich einen zentralen Ansprechpartner vor Ort, mit dem sie gemeinsam die Probleme lösen könnte. Und die vom Bund zwar angeregte Entbürokratisierung zeigte, gemessen an den Anforderungen der Prüfinstanzen, nicht den erwarteten Effekt. Dieses raubt den Pflegekräften weiter Zeit, die sie eigentlich für die Betreuung ihrer Bewohner nutzen möchten. „Pflegeprozessplanung ist wichtig“, betont Doreen Boniakowsky, „und Qualitätsüberprüfungen braucht es ohne Frage auch, nur ist der derzeitige Aufwand für Dokumentationen, Nachweise, Anträge usw. nicht mehr vertretbar, auch nicht für den Berufsstand, für den wir junge Leute gewinnen wollen“, so ihr Resümee.
Beate Baar, die in ihrem Beruf eine wahre Berufung sieht, lenkt den Blick auf das Wesentliche: „Wir brauchen den Blick auf den Menschen, mit einem breiten Spektrum an Qualifikation“. Und Christina Hartwig ist es wichtig zu sehen, was da ist – ein tolles Team und gute Arbeitsstrukturen – und weniger zu bemängeln, was fehlt. Sie schauen deshalb gemeinsam wo Lösungen sind, um das gute Gefühl und die Freude für die eigentliche Tätigkeit zu bewahren.
Ich habe heute Menschen erlebt, die meinen höchsten Respekt haben. Nicht nur, weil sie bei hohen Anforderungen, sowohl physisch als auch psychisch, eine enorme Leistung abliefern. Sie alle haben eine Haltung, die den Bewohnern in Ihrem Haus ein echtes Zuhause gibt.
Ich danke für das große Vertrauen an diesem Tag und will mich unbedingt weiter unterstützend einbringen.