Fraktion vor Ort in Wismar – aktuelle Herausforderungen in der Pflege

Am letzten Tag des August 2020, nach Monaten besonderer Herausforderungen durch die Corona-Pandemie, hatte ich als Mitglied der SPD- Landtagsfraktion die Wismarer Pflegedienste erneut zu einem Gespräch mit unserer Ministerin für Soziales, Integration und Gleichstellung (SPD), Stefanie Drese, eingeladen.
Ambulant oder stationär, die Verantwortlichen der ansässigen Pflegedienste waren mit großem Interesse an der Entwicklung in diesem Bereich gekommen. Ein Jahr zuvor konnten sie bereits bei einer ersten Einladung von ihren Erfahrungen, positiv wie negativ, berichten. Die Aufgaben sind inzwischen nicht kleiner geworden. Im Gegenteil, Corona hatte die Bedingungen für jeden Einzelnen verschärft.

So waren auch Vertreter des städtischen Seniorenbeirates zugegen und berichteten von ihrem Einsatz, den während der ersten Monate isolierten Bewohnern der Pflegeheime die Zeit ein wenig leichter zu machen. Tablets sollten helfen, eine Verbindung zu den Angehörigen herzustellen.
Nur mit der noch mangelhaften IT-Infrastruktur, wie es unmittelbar von einer Fachkraft der Diakonie benannt und aufgegriffen wurde, gelingt nicht nur diese Verbindung schlecht. Während es einerseits noch als Luxus betrachtet werden kann und teils hohe Investitionen für die Heime damit verbunden sind, ist es für die meisten ambulanten Pflegedienste inzwischen eine Selbstverständlichkeit, bei ihrer Tourenplanung und Verbindung mit den vor Ort tätigen Pflegekräften per App und Smartphone zu arbeiten. Schwierig wird das nur, wenn die Tour zum Patienten raus aus der Stadt ins Land geht, wie auch die Ministerin bestätigte. Und Glück, dass man daran tatsächlich arbeitet, um Stück für Stück die Funklöcher mit dem nötigen Breitbandausbau zu stopfen.
Allerdings ist es auch seitens der ansässigen Ärzte eine Frage der persönlichen Bereitschaft, sich mit der nötigen IT-Infrastruktur auszurüsten. Es würde den Verwaltungsaufwand der Pflegedienste enorm reduzieren, z.B. bei der Rezeptübermittlung per Mail, so die einhellige Meinung mit der Bitte an Frau Drese, eventuell über die KV Einfluss zu nehmen.

Ein ganz wesentlicher Punkt aber war die Aufgabenwahrnehmung durch Fachkräfte, Pflegehelfer oder – assistenten. Die Vorgaben des medizinischen Dienstes wie auch der Kassen sind nach Meinung der Anwesenden komplett an der Praxis vorbei. Der Ministerin ist das Problem im Zusammenhang mit der Fachkraftquote bekannt und sie bekräftigt, das im Fokus nötiger Veränderungen zu haben. Pflegeheimleiterinnen, z.B. der Diakonie und der Städtischen Heime in Wismar, sehen die Quote als nicht haltbar an. Sie führt vielmehr dazu, die Auslastung zu senken und das hat nicht nur mit fehlendem Personal zu tun. Die Kontrollaufgaben verantwortlicher Fachkräfte erschweren und erhöhen das Pensum völlig unnötig, da bestimmte Leistungen auch für Helfer oder Assistenten Teil der Ausbildung sind. Es bräuchte eine flexible Quote nach Bedarf und Bedürfnissen oder besser noch multiprofessionelle Teams, so die Lösungsansätze der Beteiligten. „Absolut interessant und ernstzunehmen“, so Frau Drese, die gleichzeitig nach Möglichkeiten der Verbesserung sucht.

Auch die Vergütungsverhandlungen, die die Pflegedienste mit den Kassen führen müssen, kommen zur Sprache. Mehrheitlich ist von Streit und mangelnder Würde die Rede. „Wir brauchen mehr Zeit für den Patienten“, berichtet eine junge, engagierte Unternehmerin der Branche. Und die Nächste belegt das mit Beispielen aus ihrer langjährigen Erfahrung. „Wie sollen wir junge Menschen für diesen Beruf gewinnen, wenn er so unbefriedigend ist?“, fragen viele, denn es geht nicht allein ums Geld.
Der Bürgermeister der Stadt Wismar, Thomas Beyer, bringt die Wertschätzung für diesen Beruf an sich ins Spiel und wie wichtig es ist, auch den Gewinn, die Bedeutung der Pflege in die Öffentlichkeit zu tragen.
Darin besteht Einigkeit, denn die meisten sind seit Jahren trotz aller Umstände mit Freude dabei. Frau Baar, Leiterin der diakonischen Heime in Wismar, zeichnet den Weg rückblickend wie perspektivisch so: „ Wir haben versäumt, den Berufen, die mit Menschen arbeiten, einen Wert zu geben. Und das muss in der Schule beginnen!“
Auch die Ministerin bestätigt, „wir brauchen eine funktionierende soziale Gemeinschaft“ und bringt über die Diskussion in der Runde den Blick nochmal auf das System der fortwährenden Erhöhung des Eigenanteils der Pflegeheimbewohner. Nach ihrer Meinung braucht es eine große soziale Reform. Laut aktueller Untersuchungen müsste man das System umkehren, wozu es gegenwärtig 1% mehr Sozialabgaben bräuchte. Um dafür die nötige Akzeptanz in der Bevölkerung zu erreichen, darf man eine ehrliche Diskussion nicht scheuen. Denn am Ende steht die Frage:
Was ist uns allen gute Pflege wert?!