Mein Respekt den Wismarer Pflegediensten – Praxis vs. graue Theorie

Früh aufstehen war für mich noch nie ein Problem. Auch nicht das Arbeiten mit Menschen – früher in verschiedenen beruflichen Tätigkeiten wie heute als Landtagsabgeordneter. Was aber die Mitarbeiter eines Pflegedienstes leisten, war mir bislang nur theoretisch bekannt und so habe ich mich für ein Praktikum in diesem so wichtigen Bereich beworben.

Anette Krohn, Inhaberin und Leiterin gleichnamigen Pflegedienstes in Wismar, war bereit, dafür das Einverständnis der jeweils zu Pflegenden einzuholen. Eingeteilt für eine Schicht mit Schwester Petra von 6.00 – 12.45 Uhr ging‘s ab Standort Philosophenweg quer durch alle Stadtteile. Selbstverständlich geplant als Tour, aber auch ausgerichtet am individuellen, zuweilen dringlichen Bedarf.
Spezialisiert ist der Pflegedienst Krohn besonders auf Wundmanagement, allerdings gehört für die Patienten fast immer das Waschen, Anziehen, Messen medizinisch relevanter Daten, Medizingaben und vor allem das Zuhören dazu.

Nicht mit Geld aufzuwiegen ist diese Zuwendung samt pflegerischer Leistung!

Eigentlich keine Zeit dafür und schon gar nicht von den Kassen vergütet, lässt Schwester Petra sich nicht beirren, immer den Menschen selbst im Vordergrund zu sehen. Ich höre und erlebe, wie wichtig es fast allen Patienten ist, so lange wie möglich in der Häuslichkeit zu verbleiben. Dann muss natürlich auch mal eingekauft werden, wofür nicht immer Angehörige zur Verfügung stehen. Die Post wird gleich mit hoch gebracht, der Müll runter. Für die Pflegekräfte bleibt keine Zeit, zu zaudern. Eine beeindruckende Leistung bei diesen hohen psychischen und physischen Anforderungen.

Im Gespräch mit Frau Krohn selbst spüre ich, wie sehr ihr das bewusst ist, nicht nur, weil sie selbst natürlich vom Fach und immer mittendrin ist. Sie weiß, sie muss auf besondere Weise ihre Pflegekräfte motivieren und entlasten, wo immer sie kann. Schwester Petra ist nur eine von 7 Mitarbeiterinnen ihres 2010 in Wismar aufgebauten Pflegedienstes. Das menschliche Miteinander ist das A und O sowie das Eingehen auf eine gute Schichtplanung und Zeiteinteilung. Gerade, weil es finanzielle Grenzen gibt. Schwester Petra hat nach ihrem jahrelangen Dienst in der stationären Pflege jetzt Einkommenseinbußen, aber die individuelle Arbeitsgestaltung und Atmosphäre beim ambulanten Pflegedienst Krohn geben ihr mehr Möglichkeiten für einen Einklang mit ihrem Familienleben. Und schließlich spielt das auch eine Rolle für die persönliche Gesundheit.
Laut Frau Krohn liegt die Vergütung der Kassen in MV im unteren Bereich. An der Grenze zu Schleswig-Holstein ist es am schwierigsten, Fachkräfte zu halten, da hier die Kassenleistung teilweise bis zum Dreifachen höher ist. In vielen Gesprächen auch mit Verantwortlichen der Politik wurden die Probleme offengelegt, sagt sie.
Das kann ich bestätigen, hatte selbst im März zu einem Treffen mit Sozialministerin Drese eingeladen. Dennoch fühlt man sich in diesem Bereich seit langem und immer wieder von der Bundespolitik vergessen. Das System ist längst nicht mehr zeitgemäß und das nicht nur, weil man sich in den Sozialämtern nicht auf neue Wohnformen für Demenzkranke einstellen kann. So gibt es z.B. für die Versorgung von fünf Wunden nur die Vergütung von einer, die Wegepauschale ist keinesfalls kostendeckend und die pflegerische Rufbereitschaft wird gar nicht erst bezahlt.
„Meine Mitarbeiterinnen sind meine fleißigen Bienchen“, sagt Anette Krohn lächelnd und voller Wertschätzung. Dafür zahle ich mehr als den Mindestlohn, gebe alles in Verhandlungen, Verträgen, Gesprächen und der Dokumentation, die mehr und mehr in den eigentlichen Arbeitsbereich eindringt.
Sie ist froh, dass die Pflegedienste in Wismar sehr gut zusammenarbeiten und sich gegenseitig unterstützen. Es gibt einen regelmäßigen Qualitätszirkel genauso wie unkomplizierte telefonische Rücksprachen.

Meine Erfahrungen im Pflegedienstpraktikum werde ich durch weitere Praktika in Wismarer Einrichtungen so weit wie möglich ergänzen. Aber schon jetzt ist klar, so wie die Fachkräfte hier immer in Bewegung sind, werde ich auch darauf hinwirken, die Entscheider in Politik und Behörden für bessere Bedingungen in der Pflege in Bewegung zu bringen.

Foto v.l.n.r. Petra Hoth, Tilo Gundlack, Anette Krohn

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